Das Unternehmergespräch: Maximilian Weiß, geschäftsführender Gesellschafter des Partikelmessexperten Palas
„Feinstaub wird nicht unser letztes Problem bleiben.“ Die Karlsruher finden mit ihren Messgeräten kleinste Partikel. Auch am Stuttgarter Neckartor stehen ihre Geräte.
Karlsruhe, 3. März
Einen prominenteren Ort für den Einsatz seiner Produkte könnte Maximilian Weiß kaum finden. Am Stuttgarter Neckartor – Symbol des aktuellen Kulturkampfs um Autoabgase, Luft- und Lebensqualität sowie Fahrverbote – stehen zwei Geräte seiner Palas GmbH und messen Feinstaub. Weiß, Anfang vierzig, hat während seines Studiums in dem Karlsruher Unternehmen gearbeitet, später wurde er Forschungsleiter, dann Gesellschafter – und beinahe könnte er in seinem jugendlichen Elan immer noch als Student durchgehen. Wenn auch im fortgeschrittenen Semester. Stattdessen hat er sich an die Spitze eines Unternehmens gesetzt, das in den vergangenen beiden Jahren um jeweils 30 Prozent gewachsen ist, knapp 12 Millionen Euro umsetzt und auf einem Gebiet zu Hause ist, das nicht nur Ingenieure und Naturwissenschaftler beschäftigt, sondern das halbe Land: Feinstaub, winzige Partikel, die unsichtbaren Gefahren in unserer Luft. Und obwohl am Stuttgarter Neckartor oft dicke Luft ist, sagt Weiß: “Feinstaub wird nicht unser letztes Problem bleiben.”
Der promovierte Chemieingenieur, ausgebildet am renommierten Karlsruher Institut für Technologie (KIT), hat im Unternehmen einst jene Algorithmen entwickelt, die noch heute in Palas-Messgeräten zum Einsatz kommen. Damals war das Unternehmen ein Zwerg, es verkaufte zehn Messgeräte im Jahr. Wenn es hochkam. Seitdem ist Palas enorm gewachsen, aber Weiß spricht immer noch von einer Manufaktur. Dort arbeiten in einem Karlsruher Gewerbegebiet etwa 70 Menschen, darunter Elektroingenieure, Optikingenieure, Softwareentwickler, Aerosolexperten. Aerosolen, Luftpartikeln also, hat sich Weiß verschrieben. Diese Leidenschaft mündete 2018 in den Verkauf von 700 Feinstaubmessgeräten, dem Kerngeschäft des Unternehmens. Preis: zwischen 10 000 und 25 000 Euro. Gebaut werden sie ausschließlich in Karlsruhe.
Messgeräte für Nanopartikel können gut und gerne doppelt so teuer sein. Sie stehen zwar nicht für den größten Umsatzanteil, aber mindestens ebenso sehr für die guten Perspektiven, die sich Weiß ausrechnet. “Was Nanopartikel im menschlichen Körper bewirken, ist noch gar nicht bekannt”, sagt er. “Man weiß nicht, ab wann sie schädlich sind.” In einem Lagerraum erzählt er, dass hier in einem Kubikzentimeter Luft mehr als 5 000 Partikel steckten, mit jedem Atemzug also Milliarden Partikel aufgenommen würden. Die Ungewissheit in Sachen Luftqualität soll die Nachfrage hochhalten. Messgeräte für Nanopartikel kommen zum Beispiel an Flughäfen zum Einsatz, denn es gilt: je höher die Verbrennungstemperatur, desto kleiner die Partikel, die dabei entstehen. Flugzeugturbinen sind hier produktiver als Automotoren zum Beispiel.
Bei einem Rundgang – vorbei an kurzen Produktionslinien, Prüfständen, Labor oder Forschungabteilung – bleibt Weiß an einer Drohne stehen. Sie stammt von einem Partnerunternehmen und weist auf ein weiteres Einsatzgebiet hin. Palas-Geräte sind mitunter mannshoch, teils aber auch so klein wie eine Handtasche – und die handlichen Exemplare können, montiert auf einer Drohne, Feinstaub im Braunkohletagebau messen. Pflicht sei das in Deutschland nicht. Aber hier sei die Sensibilität für dieses Thema ohnehin ausbaufähig. In Großbritannien etwa gebe es auf Großbaustellen Pflichtmessungen – davon könne hierzulande keine Rede sein. Auch asiatische Länder gingen mit dem Thema anders um. In Südkorea etwa sei, anders als in Deutschland, die kontinuierliche Überwachung von Innenräumen gefragt. Heerscharen chinesischer Großstädter, die nur mit Mundschutz vor die Tür gehen, verdeutlichten ebenfalls, wie wichtig vielen Menschen dort das Thema Luftqualität ist. Kein Wunder, dass Palas, das mehr als 60 Patente hält, einen Exportanteil von etwa 60 Prozent hat.
Von den geschäftlichen Perspektiven ist auch die Frankfurter Beteiligungsgesellschaft Brockhaus Capital Management (BCM) überzeugt. Sie übernahm im vergangenen Jahr die Anteile des Unternehmensgründers und zweiten Geschäftsführers Leander Mölter, der sich nach mehr als 35 Jahren von Palas verabschiedete. Seitdem ist Weiß alleiniger Geschäftsführer, er hatte 2015 die Anteile eines zweiten Gründers übernommen. Es handele sich um eine “signifikante Beteiligung”, sagt er nur, ihre genaue Größenordnung nennt er nicht. Von einem deutlich zweistelligen Wert ist auszugehen. Gemeinsames Ziel ist nun die weitere Internationalisierung des Unternehmens. Der neue Mehrheitseigentümer BCM geht davon aus, dass ihm eine “einzigartige Technologie” und der globale Wunsch nach sauberer Luft in die Karten spielen wird.
Was den zweiten Punkt betrifft, liefert Weiß ein Beispiel aus Indien. In der Hauptstadt Delhi gab es vor zwei Jahren nach seinen Informationen gerade mal drei Feinstaubmessgeräte – und das bei rund 20 Millionen Einwohnern und Feinstaubwerten, die mitunter jenseits von 400 Mikrogramm je Kubikmeter lägen. In Deutschland gelten – als Tagesmittelwert – schon 50 Mikrogramm je Kubikmeter als Grund für Interventionen. “Länder wie Indien oder China, die in vielen Städten mit schlechter Luft zu kämpfen haben, müssen in die Verbesserung der Luftqualität, also auch in Mess-Systeme investieren”, sagt Weiß. “Sonst geht irgendwann die Bevölkerung auf die Barrikaden.”
Die von Palas verwendete Technik geht auf eine Entwicklung aus dem nahen KIT zurück. Es gebe auf der Welt keinen Zweiten, der sie verwende, sagt Weiß. Optische Sensoren – die alle in Karlsruhe gebaut werden und von denen Palas mehr als 40 verschiedene Typen einsetzt – reagieren auf optische Impulse, danach folgt die elektronische Signalverarbeitung und schließlich die Berechnung mittels Software. Mit anderen Worten: Palas macht sich die Lichtimpulse von Partikeln zunutze, die dunklen geben einen kleineren Impuls, helle einen größeren. Partikel mit einer Größe von 120 Nanometer sind so erkennbar; sind sie noch kleiner, ist ihr Lichtimpuls zu schwach. Dann hilft nur noch ein technischer Trick: Sie werden aufkondensiert, also künstlich vergrößert.
Alles in allem gebe es für zertifizierte Messgeräte nur drei bis vier verschiedene Messverfahren auf der Welt, sagt Weiß, der mit vielen kleineren Mitbewerbern, aber auch mit einem Milliardenkonzern wie Thermo Fisher aus Amerika konkurriert. Seines kommt bei mehreren hundert Kunden in mehr als 60 Ländern zum Einsatz, darunter jede Menge deutscher Dax-Unternehmen. Die Namen nennt er nicht. Die Messung von Feinstaub sei immer noch ein heikles Thema, mancher wittere hier vorschnell dicke Luft. Dabei tun jene Unternehmen, die in ihren Produktionshallen oder Büros messen lassen, mehr, als sie müssten. “In keinem Land wird bisher Feinstaub in Innenräumen reguliert”, sagt Weiß. Bislang gelte: Außen gibt es zum Teil Pflichtmessungen, innen nicht. “Aber die Diskussion darüber läuft. Das wird mehr werden.” Ihm soll’s recht sein. Aber er sieht schon bei den klassischen Außenmessungen Verbesserungsbedarf. Erstens gehe es beim Grenzwert für Feinstaub bisher nur um die Masse an Partikeln, nicht aber um die Kleinheit der einzelnen Partikel. Außerdem seien Tagesmittelwerte für Feinstaub, wie sie heute üblich sind, nicht auf der Höhe der technischen Möglichkeiten: “Moderne Messgeräte haben hochauflösende Messdaten”, sagt er. “Sie können sekündlich aktuelle Werte ermitteln.”
Das Unternehmen
Die Palas GmbH, gegründet 1983, gehört mehrheitlich der Beteiligungsgesellschaft Brockhaus Capital Management, die die Anteile des Gründers Leander Mölter übernommen hat, als dieser nach 35 Jahren im Unternehmen ausgeschieden ist. Palas entwickelt und baut Geräte zur Messung von Feinstaub und Nanopartikeln in der Luft. Sie sind unter anderem am Stuttgarter Neckartor im Einsatz. In den vergangenen beiden Jahren ist Palas um jeweils rund 30 Prozent gewachsen, mit etwa 70 Beschäftigten lag der Jahresumsatz zuletzt bei knapp 12 Millionen Euro.
Der Unternehmer
Maximilian Weiß hat am Karlsruher Institut für Technologie Chemieingenieurwesen studiert und promoviert – und sich früh intensiv mit Verbrennungstechnik und Flammenstrukturen beschäftigt. Er hätte wohl auch an der Uni Karriere machen können, kam aber über einen Studentenjob zu Palas, um dort vor allem Software zu entwickeln. Heute ist er geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens, seit 2015 mit “signifikanten”, aber nicht näher bezifferten Anteilen. Der 42-Jährige bezeichnet sich als “Karlsruher Gewächs”, lebt in der Stadt und hat drei Töchter.
Autor: Uwe Marx
Serie: Das Unternehmergespräch
© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.